Übergangsritual

Ostern: Erlösung delegiert?

Am Nachhaltigsten sind wohl die eigenen Erfahrungen. Du erinnerst dich: Kinderhände und heisser Ofen? Das ist ja das berühmte Beispiel für die Nutzlosigkeit des Versuches, eigene Erkenntnisse an andere zu übertragen. Das Kind fasst oft dennoch dran. Genauso ist es mit Ritualen. Eigenes sinnliches Erleben ist immer nachhaltiger als ein Erfahrungsbericht anderer.

Laut Überlieferung hat Jesus durch sein Leiden auch uns erlöst. Aber lässt sich Erlösung delegieren? Ich glaube nicht.
Übergangsrituale entfalten ihre Wirkung im persönlichen Erleben.

In der Ostergeschichte finden sich genau die drei Schritte eines Übergangsrituals wieder.

  1. Der Abschied aus der Welt (Karfreitag)
  2. Die Auszeit (Karsamstag)
  3. Die Rückkehr (Ostersonntag)

Laut Überlieferung ist Jesus für uns durch Sterben, Tod und Auferstehung gegangen. Stellvertretend für uns, sozusagen. Aber lässt sich Erlösung delegieren? Ich glaube nicht.


Anregungen für Oster-Rituale

Wenn du Lust auf eigene sinnliche Erfahrung hast, findest du hier zwei Vorschläge zur Gestaltung. In beiden findest du auch die Struktur des Übergangsrituals: Du verlässt das Gewohnte, erlebst eine besondere Zeit und kehrst dann mit deiner Erfahrung, deinem Schatz zurück.


Das magische Land der Kindheit

Ich erinnere mich an meine Kindheit in Dresden. Am Karfreitag gingen wir als Familie in die katholische Kirche. Zwei Stunden musste man schon rechnen für den Karfreitags-Gottesdienst. Das war nichts für Eilige. Als Kind habe ich natürlich nicht viel verstanden. Aber mir gefiel die Zeremonie, das Feierliche. Ein Teil davon war eine schier endlose Litanei von Bittrufen an die verschiedensten Heiligen.

Nach der Zeremonie von Jesus‘ Sterben wurde im Kirchenraum alles verhüllt, was auf seine Präsenz verwies: z.B. das Altarkreuz. Es begann eine Übergangszeit, in der „nichts“ war. Die Menschen waren sozusagen alleine gelassen, auf sich gestellt.

(Ähnlich habe ich mich gefühlt, als ich kurz vor der Ausreise aus der DDR meine Staatsbürgerschaft abgegeben hatte und staatenlos war. Ich dachte die ganze Zeit: Hoffentlich passiert nichts. Wohin hätte ich mich z.B. bei einem Unfall wenden sollen? Wer wäre zuständig gewesen?)

Mit Feuer und (Oster)wasser

Besonders gerne denke ich an den Morgen des Ostersonntags zurück. Mystisch, aufregend und voller Freude – so habe ich ihn in Erinnerung.

Als ich etwas älter war, durfte ich mit zum Osterwasser holen. Das passierte morgens gegen 2.00 Uhr. Wir wollten ja um 5.00 Uhr zum Osterfeuer zurück sein.

Jungen und Mädchen gingen schweigend in den „Fiedlergrund“ am Stadtrand. Wir hatten unsere Krüge dabei und waren ganz gespannt.

wasser

Wenn du nämlich schweigend das Osterwasser aus einer Quelle nach Hause bringst, dann bleiben dir Jugend und Schönheit bewahrt. (Ob es beides auch wiederherstellt, wäre heute mal zu testen, *smile.) Dabei versuchten die Jungs, uns immer einmal wieder zu necken, um unser Schweigen zu brechen. Aber ich glaube, sie waren sich nicht sicher, ob sie nicht selber auch von den Segnungen des Osterwassers profitieren könnten. So waren ihre Störversuche eher halbherzig.

Noch halb in der Nacht ...

... gab es ein gemeinsames Frühstück und danach gingen wir zur Kirche, wo das Osterfeuer entzündet wurde. Alles war dunkel. Die Menschen versammelten sich im Stillen. Viele hatten eine Kerze dabei. Damit wollten sie dann das Licht von der Osterkerze mit nach Hause nehmen. Ein schöner Gedanke: vom Feuer der Auferstehung das eigene Licht entzünden lassen ...

Vom grossen Feuer aus gingen alle in den dunklen stillen Kirchenraum. Die Musik begann, meist ganz zart, z.B. mit einer Solostimme. Es war eine mystische Stimmung.

Und dann wurden alle Kerzen entzündet, das Licht nahm zu, das Leben kehrte zurück und wurde mit einem festlichen Gottesdienst gefeiert.

Brauchtum in Sachsen: Osterwasser

Der Ursprung des Osterwassers liegt in vorchristlicher Zeit. Das Wasser wird von Mädchen oder Frauen zwischen Mitternacht und Ostermorgen geholt. Man schöpft es vor Sonnenaufgang aus einem Fluss. Dieses Wasser diente in der Vergangenheit zu Heilzwecken. Man besprengte z.B. das Vieh damit, um Krankheiten fern zu halten. Aber noch wichtiger war wohl den meisten Mädchen, dass das Waschen mit Osterwasser Schönheit und Frische das ganze Jahr über verhiess.

Auf dem ganzen Weg hin und zurück dürfen sich die Mädchen weder umdrehen noch sprechen. Denn wenn eine spricht, wird der Zauber gebrochen: Das Osterwasser verliert seine segensreiche und heilende Kraft. Übrig bleibt nur „Plapperwasser“.

http://www.spreewald-info.de/ostern/osterbrauch/osterwasser/

Nachhaltigkeit entsteht aus Sinnlichkeit

Wenn ich mir überlege, was mir von damals geblieben ist, dann sind es genau diese sinnlichen Erlebnisse: die spezielle Stimmung von Karfreitag und Karsamstag, der Weg durch den dunklen Wald zum Osterwasser holen; die wundersame Atmosphäre, als in der dunklen Kirche langsam Licht wurde …

Möchtest du gerne ein eigenes Ritual machen an Ostern?

Ein solches Ritual kannst du ganz unabhängig von deiner spirituellen Orientierung durchführen. Die Sprache der Rituale ist die universelle Sprache unserer Seele. Und die Vier Elemente, wie z.B. das Wasser, haben ebenso allgemeine Bedeutung. Wasser steht für Reinigung, Lebendigkeit ...

Osterwasser holen

Wenn du selber etwas Sinnliches erleben möchtest, dann gehe doch einmal Osterwasser holen. Am meisten Spass macht das natürlich gemeinsam mit anderen. Denn erst dann wird das Schweigen wirklich zur Herausforderung. 

Natürlich musst du anschliessend nicht zum Gottesdienst in die Kirche gehen. Folgende Ideen kannst du für dich anpassen:

  • Mache mit Freund:innen zusammen ein Osterfeuer an einem schönen Ort - vielleicht in Kombination mit einem feinen Frühstück.
  • Giesse auch deine Pflanzen mit dem Osterwasser und wünsche ihnen gutes Gedeihen.
  • Entzünde daheim eine Kerze, welche die Frühlingskraft symbolisiert.

Wenn du alleine etwas machen möchtest, dann schlage ich dir folgendes vor:

Natur-(R)AUS-Zeit

Eine solche (R)AUS-Zeit beinhaltet die drei Elemente eines Übergangrituales: das Verlassen des Alltäglichen – eine Auszeit – die (verwandelte) Rückkehr.

Und so kannst du es machen:

Überlege dir ein Thema, welches dich im Moment gerade beschäftigt. Dann gehe an einen schönen Ort in der Natur. Gehe alleine. Wenn du möchtest, kannst du dir etwas zu trinken mitnehmen. Markiere eine Schwelle, über die du in die „Anderswelt“ abseits deines Alltags hinüberschreitest. Und dann lass dich treiben. Lass  Wahrnehmung, Gefühle und Gedanken kommen.

Was kannst du in der Natur über dein Thema erfahren? Vielleicht erkennst du, dass du ebenso mit Leichtigkeit über kleinere Hürden springen kannst, wie das Wasser eines Flüsschens. Oder du siehst, welche starken Wurzeln ein Baum braucht, um wirklich gross und widerstandsfähig zu sein. Kannst du davon etwas für dich mitnehmen?

Vielleicht magst du auch einfach gar nichts tun oder denken. Dann gib dich dem Augenblick hin. Lass geschehen, was geschehen mag und lass es dir einfach gut gehen.

Wenn du dann zurückkehren möchtest, finde wieder eine passende Schwelle und mache den Schritt aus der "Anderswelt" zurück in die Realität deines Alltags. Was bringst du für dich mit? Welche Erkenntnisse hast du gewonnen?

In der Visionssuche-Praxis nennt man so eine Natur-(R)AUS-Zeit einen „Schwellengang“ oder eine „Medizinwanderung“. Letzteres macht durchaus Sinn: Bringt uns der Kontakt mit der Natur doch wieder in die eigene Mitte und relativiert so manches Problem des Alltags. Das ist wie eine Medizin.

Termine für (R)AUS-Zeiten findest du unter Kurse. Melde dich, wenn du dich dafür interessierst.

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