Es ist Winter und Gerda hat gerade eine strenge Zeit. Gerne hätte sie wieder mehr Gelassenheit in ihrem Leben. Mit diesem Anliegen überschreitet sie die Schwelle, die sie sich mit einem dürren Ast am Boden markiert hat.
Der ursprünglich eingeschlagene kleine Pfad mündet bald in einen breiten Weg. Sie entscheidet sich, ihm zu folgen. Der Boden ist vereist. Um einigermassen sicher voran zu kommen, braucht sie ihre ganze Aufmerksamkeit. Sie schaut nur noch auf den Boden vor sich und denkt im Rhythmus ihrer Schritte: „Es wird schon besser werden. Es wird schon besser werden“. Von der Umgebung bekommt sie gar nichts mit. Sie sieht auch nicht, wohin der Weg führt. (Alle Aufmerksamkeit ist auf den nächsten Schritt gerichtet. Wohin, ist völlig unklar: einfach nur weiter, weiter und durchhalten. Das ist genau das Lebensgefühl, in dem sie sich gefangen fühlt.)
Als ihr bewusst wird, was sie tut, hält sie inne. Sie bleibt stehen und schaut auf, schaut sich um. Links von ihr murmelt ein klarer Bach. Die Bäume des Waldes sind verschneit und wirken ganz verzaubert. Langsam wagen sich ein paar Sonnenstrahlen durch die bislang geschlossene Wolkendecke. Es ist, als würde die Welt ringsherum erwachen. (Mit dem Innehalten, erwacht sie selbst wie aus einer Trance. Plötzlich nimmt sie die Welt um sich herum wahr.) Und nun fragt sie sich, ob sie diesem Weg überhaupt weiter folgen will. Es ist nicht absehbar, dass er sie irgendwohin bringt, wohin sie möchte. Sie beschliesst umzukehren. Das ist plötzlich ganz einfach. (Es macht keinen Sinn, einfach immer weiter zu gehen und durchzuhalten, wenn man gar nicht weiss, wohin und wofür. Dann kann es besser sein, auch einmal umzukehren.)
Diese Entscheidung entlastet Gerda enorm. Als sie jetzt zurückgeht, ist es viel weniger anstrengend. Alles ringsum scheint plötzlich lebendig zu sein. Sie nimmt das Gluckern des Wassers wahr, das Glitzern der Sonne auf dem Schnee, einen Vogel, der auffliegt. Es gibt Geräusche und Farben. Es scheint seltsam, aber nachdem sie losgelassen hat, ist der Weg viel einfacher zu gehen. Gerdas Wahrnehmung ist geöffnet und sie hat Freude an dieser wunderbaren Welt. (Das Loslassen hat Lebendigkeit zurückgebracht. Fülle ist sichtbar geworden und Freude wieder möglich. Das erleichtert auch das Vorankommen.)
Als sie zum Haus zurückkommt, ist sie gut gelaunt und ganz erfüllt von diesem schönen Winterweg. Mit dem Schritt zurück über die Schwelle, nimmt sie ihre Erfahrung mit: Sie selber hat sich in diese „Hamsterrad-Situation“ gebracht. Und sie kann entscheiden, ob sie mit gesenktem Kopf wie eine Maschine durchhalten will, oder ob sie sagt: Genug!
Jetzt fühlt sie sich befreit und glücklich. Sie hat wieder ein Gefühl dafür bekommen, was ihr wirklich wichtig ist. Gerdas Blick fällt auf alles, was ihr in der letzten Zeit entgangen ist. Die Welt sieht nun ganz anders aus. Das ist ihre „Medizin“ aus der „Medizinwanderung“.